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Der Schwer.

Eine Einführung in die Schwerpunkte: Wir haben bereits für das Jahr 2022 Themenschwerpunkte gewählt, die wir über das Jahr verteilt beleuchten. Angelegt werden diese, anders als bei einem Printmedium, bereits im Januar/Februar. So können Sie frühzeitig erkennen, was Sie erwartet. Es gibt dann bereits erste Inhalte, eine Art Inhaltsverzeichnis, das stetig erweitert wird und Hintergrundberichte zu Recherche und Ausarbeitung der jeweiligen Beiträge.

Im vorgesehenen Zeitraum wird der Schwer. „rund gemacht“ und beworben. Sollten wir feststellen, dass sich durch Ihre Beteiligungen, Anregungen und unsere Recherchen sich ein größeres, neues Feld auftut, dann greifen wir diesen Schwer. zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf.

Wir haben folgende Schwerpunkte geplant:

Glaube und Zweifel (Januar – März)
distelicht – Eine lyrische Landpartie (Januar – Dezember)
Hygienekonzept (März – April)
Die unaufhörliche Wanderung (März – Mai) – Anlass ist die Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung 2022 an den österreichischen Schriftsteller und unermüdlichen Aufklärer Karl-Markus Gauß für sein Buch „Die unaufhörliche Wanderung: Reportagen“.
Das menschliche Porträt (Mai – Juli)
Kreativer Widerstand (Mai – August)
Roger Willemsens Buchtitel als Ideengeber (August – September) – Das ist vorerst der Arbeitstitel
All die Frauen (August – Dezember)
Spanien (Oktober – November) – Begleitend zur Frankfurter Buchmesse
Mannstreu (November – Dezember)

Die Themenabläufe können sich geringfügig verändern. Sobald ein Schwer. eröffnet ist, sehen diesen hier verlinkt.

Haben Sie Fragen, Anregungen? Wenn Sie meinen, ein bestimmstes Buch, ein Text sollte unbedingt in einem Schwer. ausführlich erwähnt werden, lassen Sie es uns gern wissen. Dann freuen wir uns auf Ihre Nachricht an redaktion@distelicht.de

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Lesart

Kleine Disteln

„Knappe Geschichten“, so lautet der lapidare Untertitel von KLEINE DISTELN, das in der Reihe „Text und Portrait“ im Aufbau-Verlag erschienen ist. Und es scheint so, als wären Alasdair Grays Geschichten weniger skandalträchtig als es sein Roman „Janine 1982“ gewesen war, der wegen der beschriebenen sexuellen Ausschweifungen für Wirbel gesorgt hat.

Diesmal geht es ruhiger zu, nicht jedoch langweiliger. Die Geschichten, die in diesem Band versammelt sind, lassen sich weder miteinander vergleichen noch gehören sie zusammen. Die erste ist ein Bericht, den er für den Stiftungsrat der Bellahouston-Stiftung verfasste, um über sein Reisestipendium Rechenschaft abzulegen. Es ist wunderschön zu lesen, mitzuerleben, wie Gray seine Reise angetreten hat und bereits nach einigen Kilometern von Heimweh nach seinem geliebten Glasgow geplagt wurde und sich trotzdem tapfer bis zum Zielort Gibraltar durchgeschlagen hat.

In weiteren Kurzgeschichten berichtet er von seinen kauzigen und skurrilen Landsleuten, von erschlagenen Katzen, der Sozialistischen Republik Schottland und ewigen Nörglern. Sein Meisterstück in diesem Band ist jedoch die Vollendung eines Textfragments von Robert Louis Stevenson, dem Autor der Schatzinsel, wobei er sich allerdings herausnimmt immer mehrere Handlungsmöglichkeiten durchzuspielen.
Meine persönliche Lieblingsgeschichte ist die, die den Buchtitel hergibt: Kleine Disteln.

Gray ist Schotte. Mit Leib und Seele. Seine Romane und Geschichten berichten immer von seiner Heimat oder den eigentümlichen Schicksalen, die seine Landsleute durchleben. Dabei ist er alles andere als ein Wald-und-Wiesen-Autor. Was ihn auszeichnet ist die blühende, übersprudelnde und zuweilen auch obszöne Phantasie, die in seine Bücher einfließt. Obwohl er in seiner Heimat bereits seit Jahren ein bekannter und gern gelesener Autor ist und von der Kritik gebauchpinselt wird, gelingt es ihm in Deutschland erst langsam, sich einen Namen zu machen. Die „offizielle“ hiesige Buckritik geht Gray eher aus dem Weg. Warum auch immer. Seine Bücher sind seit Jahren ins Deutsche übersetzt und werden von einem wachsenden Leserkreis gekauft. Alasdair Gray hat sich inzwischen den Status eines öffentlichen Geheimtipps erarbeitet.

Schade ist eigentlich nur, dass es diesmal keine Illustrationen von Gray zu seinen Geschichten gibt. Ein schwacher Trost ist der Fototeil am Ende des Buches, dessen Hauptmotiv der Autor selbst ist. Fotografin ist Renate von Mangoldt. Vorangestellt an die Fotos ist eine Art Selbstporträt: nüchtern und gespickt mit Details, die Grays Lauf des Lebens recht bildhaft werden lassen.


Alasdair Gray, geboren 1934 in Glasgow, studierte an der dortigen Kunsthochschule Malerei. Gray lebt und arbeitet als Graphiker, Maler, Verleger und Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Zum Schreiben kam er erst, als er bereits über vierzig Jahre alt war. Gray ist bekennender Sozialist und bekanntester Vertreter der Welle neuer schottischer Autoren, die seit einigen Jahren die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Seine Heimatstadt Glasgow bildet die Kulisse für seine ersten beiden Romane „Lanark“ und „1982, Janine“. Beides sind großangelegte, schelmenhafte Erzählungen, in denen die Kritiker die Weitschweifigkeit eines Lawrence Sterne und den Eklektizismus eines James Joyce sahen. Der Observer sprach „Lanark“ alle Zutaten eines Kultbuchs zu und die Washington Post schrieb zu „Zehnmal Lug und Trug“: „Schnappen sie sich im Buchgeschäft den Stapel dieses Buches. Lassen Sie alle in Geschenkpapier einschlagen, bis auf Ihr eigenes Exemplar – und bringen Sie die als Gastgeschenk zu Dinnerparties etc. mit – statt dieser öden Flasche Wein, die ja doch nie getrunken, sondern immer von Dinnerparty zu Dinnerparty herumgereicht wird.“

Alasdair Gray
Kleine Disteln | Knappe Geschichten

Aus der Reihe Text und Porträt
Taschenbuch – 1996
Aufbau Verlag
| Literarisches Colloquium Berlin – DAAD
ASIN: B00OAM07HK
Nur noch im antiquarisch erhältlich

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Glaube und Zweifel

Glaube und Zweifel

In diesem Schwer. soll es um die Fragen gehen: War und ist Lyrik relevant im Dialog zwischen Gläubigen, zwischen Gläubigen und Zweifelnden? Wenn ja, in welcher Form? Wie können wir bildhafte Sprache zur Vermittlung von Inhalten nutzen? Auch für die eigene Annäherung an den religiösen, spirituellen Glauben? Lässt sich mit Lyrik und Kurzprosa eine Brücke bauen für Menschen die zum Glauben keinen oder nur schwer Einstieg finden? Oder für die, die einen reflektierten Ausstieg suchen?

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Glaube und Zweifel Lesart

Kurt Marti | Zärtlichkeit & Schmerz

Dieses Buch von Kurt Marti aus dem Jahre 1979 trägt den Titel : Zärtlichkeit und Schmerz | Notizen. Die Formulierung wirkt auf eine überraschende, fast provokative Art emotional und subjektiv, was umso mehr auffällt, als der Autor sonst einen mehr sachlichen Ton bevorzugt und übrigens seit jeher als einer der profiliertesten Vertreter der sogenannten «engagierten» Literatur angesehen wird. Sein ProsaWerk, das politische Tagebuch «Zum Beispiel Bern 1972» gilt als ein Höhepunkt der politisch gerichteten Literatur der 1960er Jahre; es hat seinerzeit auch entsprechend Staub aufgewirbelt (auch wenn sich dadurch die Verhältnisse nicht geändert haben).
Politik und Subjektivität, das Allgemeine und der Einzelne, das Öffentliche und das Private sind in der schweizerischen Literatur nie getrennte Bereiche gewesen, am wenigsten in den wirklich bedeutenden und repräsentativen Werken. Das literarische Schaffen Martis ist ein Beispiel dafür.

Schon «Zum Beispiel Bern 1972» ist bewusst als Tagebuch konzipiert und nicht etwa als Pamphlet; es enthält nicht nur Polemik, sondern zugleich den Ansatz zu einer Art «Innerlichkeit der Politik» (am deutlichsten vielleicht in der Frage, ob Menschen verschiedener politischer Richtungen auch unterschiedliche Träume hätten). In «Zärtlichkeit und Schmerz» finden sich ebenfalls viele tagebuchartige Passagen und eine stark persönliche Färbung.

«Jeder Terror rechtfertigt sich mit objektiver Notwendigkeit. Um so mehr gilt es, unbeirrt subjektiv zu sein.»

Kurt Marti
Das Buch in meinem Bucherregal

Der Titel bezieht sich nicht auf das Erleben des Autors; er gehört vielmehr in den theologischen Kontext des Buches, als Teil einer Neudefinition Gottes, der in dezidierter Ablehnung der «männlichen» Vorstellung eines allmächtigen, überhaupt eines mit dem Machtbegriff zu erfassenden Gottes identifiziert wird mit «Liebe, Zärtlichkeit, Schmerz».
So ist denn dieses Werk Martis ein primär theologischer Text, anzugehen mit den entsprechenden Begriffen und Fragestellungen?
Vielleicht ist tatsächlich seit den «Gedichten am Rand» das Theologische in seinen Büchern nie so deutlich, so explizit formuliert worden, aber was hier als Theologie auftritt, ist so unorthodox und unkonventionell, dass jede nicht-theologische Interpretation ebenso richtig, vielleicht sogar passender ist. Dies auf den ersten Blick so einfache, verständliche, ja umgängliche Buch ist im Grunde ein umfassendes Werk, ein Versuch, in einer Vielzahl von kurzen Texten (Ansätze zu Erzählungen, Mini-Essays, Aphorismen, spruchartige Sätze, lyrische Prosa, Blitzlichter der Beobachtung) Vielfältiges und Gegensätzliches zusammenzubringen; ein verwirrendes und doch sinnvolles Puzzle, Spiegelung eines vielfältigen Eindrücken ausgesetzten zeitgenössischen Bewusstseins.

Allmacht | Gott kann nicht einmal abdanken, d.h. einer Machtposition entsagen, weil er eine solche nie innegehabt hat.

Ein Tagebuch ist es allerdings nicht; die Form ist trotz des beiläufig anmutenden Untertitels strenger und anspruchsvoller: die Notizen enthalten, was sich dem Tag an Erkenntnis abgewinnen lässt, die den Tag überdauert, ohne ihm doch entrückt zu sein, geformt und fragmentarisch zugleich. Ob alles an diesen Einfällen, Beobachtungen, Gedanken des Aufzeichnens wert sei – ich habe die Frage mit dem Ton des Zweifels, der leisen Kritik gehört, und es gibt gewiss unter den aphoristischen Bemerkungen ein paar mehr beiläufig formulierte Sätze, die allein das Buch nicht tragen könnten, es freilich auch nicht tragen müssen. Aber vielleicht sind in einem Buch wie «Zärtlichkeit und Schmerz» auch die beiläufigen Bemerkungen ein rascher Einfall, eine halb spielerische Formulierung, Ausdruck des Ärgers notwendig. Denn die «Notizen» sollen auf keinen Fall gelesen werden als eine Blütenlese von Sentenzen, überzeitlich und vollkommen.
Noch in keinem bisherigen Buch Martis hat der Alltag eine so wichtige Rolle gespielt wie hier, und wenn es sich auch um ein im wesentlichen theologisches Buch handelt, dann nur in dem Sinn, dass Theologie den Alltag und dessen Banalität nicht ausklammert.

«Der Tiefenpsychologie verdanken wir die Einsicht, dass die wahren Mysterien weder eleusisch noch tibetanisch, weder transzendent noch okkult, sondern alltäglich sind»: ein nicht leicht zu deutender, jedoch zentraler Satz.

Es gibt sehr wenig reine Spekulation in diesem Buch, aber sehr viel Nachdenken über grundsätzliche, sogenannte «letzte» Fragen aufgrund von Alltagserfahrungen. Unter dem Titel des vierten Kapitels «Hader mit Leibniz» steht nicht etwa ein philosophisches Streitgespräch, sondern die Erfahrung eines alten Mannes, der am Sterbebett seiner Frau (die nur noch in «arteriosklerotischer Bosheit dahindämmert») den leicht, aufklärerischen Traum von der besten aller möglichen Welten begräbt.
So wenig aber Theologie und Alltag getrennte Bereiche sind, so wenig lassen sich – um noch einmal auf die eingangs aufgeworfene Frage zu Politik und Subjektivität kommen – voneinander lösen. Ich möchte sogar behaupten, dass «Zärtlichkeit und Schmerz» über eine gehörige politische Kraft verfügt, nicht wegen der im eigentlichen Sinn politischen Sätze, sondern gerade in den scheinbar nur subjektiven Notizen der Selbstbeobachtung, der auf das Ich und seine unmittelbare Umwelt bezogenen Reflexion.

«Jeder Terror rechtfertigt sich mit objektiver Notwendigkeit. Umso mehr gilt es, unbeirrt subjektiv zu sein.»

Es gehört für mich zu den Büchern, die beweisen, dass Subjektivität und Politik tatsächlich nahe zusammengehören können, und ist gerade in diesem Punkt repräsentativ für Veränderung des politischen Klimas. Mit den Begriffen «links» und «rechts» – die vor Jahren noch einigermaßen tauglich waren – ist dem Engagement des Schriftstellers nicht beizukommen: es ist komplexer, reicher geworden, dabei aber keineswegs weniger verbindlich, weniger ernst: als Auflehnung des Lebendigen gegen eine Welt der Leistung, des Spiels gegen die Herrschaft der Technik, der Unruhe und Frage gegen die falschen Sicherheiten, der Liebe gegen das Machtdenken.

Die Notizen Martis enthalten viel von den Gedanken, auch von der Atmosphäre der späten 1970er Jahre; was sie aber nicht enthalten obgleich der Autor sehr genau darum weiß ist: Resignation. Vielmehr findet immer wieder Auflehnung gegen diese Krankheit der Zeit statt, bei aller Skepsis, bei allem Widerstand gegen falsche Hoffnungen. Um noch einmal auf den theologischen Aspekt des Buches zu kommen:

«Gott? Jener Große, Verrückte, der noch immer an den Menschen glaubt.»

Der Autor || Kurt Marti (* 31. Januar 1921 in Bern; † 11. Februar 2017 ebenda) war ein Schweizer Pfarrer und Schriftsteller. Er studierte Jura und Theologie in Bern und Basel. 1977 wurde er zum Ehrendoktor der Universität Bern ernannt. 1979 erhielt er den Kurt-Tucholsky-Preis. Seine Gedichte wurden in 14 Sprachen übersetzt.

Kurt Marti | Zärtlichkeit und Schmerz. Notizen.
Luchterhand, Darmstadt und Neuwied 1979.
Erhältlich ist u.a. diese broschierte Ausgabe:
Verlag: Luchterhand Literaturverlag (Juni 1993)
ISBN-10: 3630613373
ISBN-13: 978-3630613376

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Glaube und Zweifel

Das tierische Gebet

Ich preise Dich Herr, / Darum hüpfe ich | Drutmar Cremer

Tiere beten in Dur heiter beschwingt schlitzohrig – so lautet der Untertitel dieses Buches. Und ja, ungewöhnliche Gebete sind das, die der Benedektiner Drutmar Cremer da verfasst hat.

Charakteristisch für das lyrische Werk des Dichters, Verlegers & Theologen Drutmar Cremer ist sein sparsames Vokabular, der Verzicht auf jegliche unnötige Ausschmückung. Teilweise meditativ zu nennen ist der Stil, in dem er Gedichte schreibt und immer ist in seinen Gedichten wie auch in seinen sonstigen literarischen Arbeiten die Kraft und der Einfluss seines Glaubens zu erkennen, ohne dass dieser im Vordergrund stehen muss. in diesem Falle steht er allerdings im Zentrum, denn die Tiere beten, mit menschlichen Zügen und für uns gut nachvollziehbar.

Die Gebete zielen darauf ab, die Verdrehtheiten des Daseins anzuerkennen, ihnen das Gute abzugewinnen, mit einem Lächeln. Der Ernst des Schattens wird aufgelöst durch Lichtflecke, die tanzen.

OSB Cremer scheint uns daran erinnern zu wollen, dass wir unseren Blick auf Flora und Fauna schärfen sollten um Zuversicht, Heiterkeit und die schöpferische Genialität in unseren Alltag zu ziehen.

Durch das Büchlein zieht sich, dass sich die Tiere mit Ihren Eigenschaften, ihrem Charakter und Äußerlichkeiten (in)direkt Gott vorstellen. Was ein wenig amüsant ist, denn Jahwe ist der Schöpfer und steht nicht im Ruf vergesslich zu sein.
Macht konzeptionell aber durchaus Sinn, denn es geht dem Autor wohl eher darum, uns beispielhaft anzuleiten in vergleichbarer Manier zu reflektieren.

Gebet der Katze

An Geschmeidigkeit, Herr,
an sanfter Eleganz,
an leiser Wendigkeit im Sprung
hast du es nicht
fehlen lassen – bei mir,
dem Edelfräulein deiner Schöpfung. Alle Achtung!

Aber eines bedarf deiner Erklärung:
Warum
gabst du mir –
der Dame von Rang –
den schönsten Schnurrbart der Welt?
.
.

Aus: Drutmar Cremer – Ich preise dich Herr
Illustration: Polykarp Uehlein – aus dem besprochenen Buch.

Die Lektüre der Cremerschen Gedichte hat zudem einen Nebeneffekt. Ich habe mein Verständnis vom Beten überdacht bzw. weiterentwickelt. Bisher hatte ich diese Form des Gesprächs, Monologs mit/gen einer „höheren Instanz“ eher an den Empfehlungen von Religionsprofis festgemacht. Davon löse ich mich zunehmend. Was für mich befreiend ist, da ich in meiner Kindheit und Jugend insbesondere katholisch geprägt wurde. Auf durchweg unangenehme Weise übrigens.

Das Gebet der Tiere hat etwas Spielerisches mit einer Prise Ernst und Ermunterndes. Das erinnert mich an Gespräche, in denen Thema war, wo man seinen Zugang zum Glauben sieht. Bei mir geht der in erster Linie über die Natur. Über das Bestaunen der Schöpfung an sich.

Zur Machart des Buches

Die Schrift ist in grün gehalten, ebenso die nüchtern reduziert und fröhlich wirkenden Illustrationen von Polykarp Uehlein. Der
Münsterschwarzacher Benediktiner Uehlein wirkt als Missionar in Tanzania. In der Buchbeschreibung findet sich eine Umschreibung der Zeichnungen, die mich schmunzeln lässt:

Wer diese Tiere anschaut, ihr Wesen und ihr Verhalten, der ahnt vielleicht, wie Gott den Menschen gedacht hat.

Hier ist mir doch manchmal die zu erbringende Transferleistung zu groß. Dennoch…genießen lassen sich die Illustrationen allemal.

Bei der Überlegung, ob Tiere wirklich beten habe ich zumindest drei Stellen in der Bibel gefunden, wo ihnen dies zugeschrieben wird:

Singet umeinander dem HERRN mit Dank und lobet unsern Gott mit Harfen, der den Himmel mit Wolken verdeckt und gibt Regen auf Erden; der Gras auf Bergen wachsen läßt; der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die ihn anrufen.

Psalm 147

41 Wer bereitet den Raben die Speise, wenn seine Jungen zu Gott rufen und fliegen irre, weil sie nicht zu essen haben? 

Hiob 38

20 Auch die wilden Tiere schreien zu dir, / denn die Wasserläufe sind versiegt / und die Viehweiden vom Feuer verbrannt. 

Joel 1, Vers 20

Drutmar Cremer OSB

Geb. 1930, ist ein deutscher Schriftsteller, Verleger und Theologe. Nach seinem Abitur trat er in die Benediktinerabtei Maria Laach ein, wo er 1958 zum Priester geweiht wurde. Von 1960 bis 1967 war er dann als Jugendseelsorger in Maria Laach tätig.

Seit 1971 leitet er den Kunstverlag Maria Laach und auch die dort ansässigen Kunstwerkstätten.

Pater Polykarp Uehlein

Geb. 1931, ist katholischer Geistlicher, Benediktinermönch, Maler und Glaskünstler.
Er studierte bei Georg Meistermann Malerei und reiste 1963 nach Tansania (Ostafrika) in das Missionarsgebiet der Abtei Ndanda aus.
Neben Glasfenstern zählen auch Zeichnungen, Acrylbilder und Aquarelle, aber auch in vielen anderen Techniken geschaffene abstrakte Bilder zu seinen Werken.
Er hat das Buch von Drutmar Cremer illustriert.

Ich preise Dich Herr, / Darum hüpfe ich | Drutmar Cremer

Tiere beten in Dur heiter beschwingt schlitzohrig – so lautet der Untertitel dieses Buches. Und ja, ungewöhnliche Gebete sind das, die der Benedektiner Drutmar Cremer da verfasst hat.

Charakteristisch für das lyrische Werk des Dichters, Verlegers & Theologen Drutmar Cremer ist sein sparsames Vokabular, der Verzicht auf jegliche unnötige Ausschmückung. Teilweise meditativ zu nennen ist der Stil, in dem er Gedichte schreibt und immer ist in seinen Gedichten wie auch in seinen sonstigen literarischen Arbeiten die Kraft und der Einfluss seines Glaubens zu erkennen, ohne dass dieser im Vordergrund stehen muss. in diesem Falle steht er allerdings im Zentrum, denn die Tiere beten, mit menschlichen Zügen und für uns gut nachvollziehbar.

Die Gebete zielen darauf ab, die Verdrehtheiten des Daseins anzuerkennen, ihnen das Gute abzugewinnen, mit einem Lächeln. Der Ernst des Schattens wird aufgelöst durch Lichtflecke, die tanzen.

OSB Cremer scheint uns daran erinnern zu wollen, dass wir unseren Blick auf Flora und Fauna schärfen sollten um Zuversicht, Heiterkeit und die schöpferische Genialität in unseren Alltag zu ziehen.

Durch das Büchlein zieht sich, dass sich die Tiere mit Ihren Eigenschaften, ihrem Charakter und Äußerlichkeiten (in)direkt Gott vorstellen. Was ein wenig amüsant ist, denn Jahwe ist der Schöpfer und steht nicht im Ruf vergesslich zu sein.
Macht konzeptionell aber durchaus Sinn, denn es geht dem Autor wohl eher darum, uns beispielhaft anzuleiten in vergleichbarer Manier zu reflektieren.

Gebet der Katze

An Geschmeidigkeit, Herr,
an sanfter Eleganz,
an leiser Wendigkeit im Sprung
hast du es nicht
fehlen lassen – bei mir,
dem Edelfräulein deiner Schöpfung. Alle Achtung!

Aber eines bedarf deiner Erklärung:
Warum
gabst du mir –
der Dame von Rang –
den schönsten Schnurrbart der Welt?
.
.

Aus: Drutmar Cremer – Ich preise dich Herr
Illustration: Polykarp Uehlein – aus dem besprochenen Buch.

Die Lektüre der Cremerschen Gedichte hat zudem einen Nebeneffekt. Ich habe mein Verständnis vom Beten überdacht bzw. weiterentwickelt. Bisher hatte ich diese Form des Gesprächs, Monologs mit/gen einer „höheren Instanz“ eher an den Empfehlungen von Religionsprofis festgemacht. Davon löse ich mich zunehmend. Was für mich befreiend ist, da ich in meiner Kindheit und Jugend insbesondere katholisch geprägt wurde. Auf durchweg unangenehme Weise übrigens.

Das Gebet der Tiere hat etwas Spielerisches mit einer Prise Ernst und Ermunterndes. Das erinnert mich an Gespräche, in denen Thema war, wo man seinen Zugang zum Glauben sieht. Bei mir geht der in erster Linie über die Natur. Über das Bestaunen der Schöpfung an sich.

Zur Machart des Buches

Die Schrift ist in grün gehalten, ebenso die nüchtern reduziert und fröhlich wirkenden Illustrationen von Polykarp Uehlein. Der
Münsterschwarzacher Benediktiner Uehlein wirkt als Missionar in Tanzania. In der Buchbeschreibung findet sich eine Umschreibung der Zeichnungen, die mich schmunzeln lässt:

Wer diese Tiere anschaut, ihr Wesen und ihr Verhalten, der ahnt vielleicht, wie Gott den Menschen gedacht hat.

Hier ist mir doch manchmal die zu erbringende Transferleistung zu groß. Dennoch…genießen lassen sich die Illustrationen allemal.

Bei der Überlegung, ob Tiere wirklich beten habe ich zumindest drei Stellen in der Bibel gefunden, wo ihnen dies zugeschrieben wird:

Singet umeinander dem HERRN mit Dank und lobet unsern Gott mit Harfen, der den Himmel mit Wolken verdeckt und gibt Regen auf Erden; der Gras auf Bergen wachsen läßt; der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die ihn anrufen.

Psalm 147

41 Wer bereitet den Raben die Speise, wenn seine Jungen zu Gott rufen und fliegen irre, weil sie nicht zu essen haben? 

Hiob 38

20 Auch die wilden Tiere schreien zu dir, / denn die Wasserläufe sind versiegt / und die Viehweiden vom Feuer verbrannt. 

Joel 1, Vers 20

Drutmar Cremer OSB

Geb. 1930, ist ein deutscher Schriftsteller, Verleger und Theologe. Nach seinem Abitur trat er in die Benediktinerabtei Maria Laach ein, wo er 1958 zum Priester geweiht wurde. Von 1960 bis 1967 war er dann als Jugendseelsorger in Maria Laach tätig.

Seit 1971 leitet er den Kunstverlag Maria Laach und auch die dort ansässigen Kunstwerkstätten.

Pater Polykarp Uehlein

Geb. 1931, ist katholischer Geistlicher, Benediktinermönch, Maler und Glaskünstler.

Er studierte bei Georg Meistermann Malerei und reiste 1963 nach Tansania (Ostafrika) in das Missionarsgebiet der Abtei Ndanda aus.

Neben Glasfenstern zählen auch Zeichnungen, Acrylbilder und Aquarelle, aber auch in vielen anderen Techniken geschaffene abstrakte Bilder zu seinen Werken.

Er hat das Buch von Drutmar Cremer illustriert.

Daten zum Buch

Drutmar Cremer
ICH PREISE DICH
DARUM HÜPFE ICH

Beuroner Kunstverlag
3-87071-049-7

Illustrationen: Polykarp Uehlein

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Feuilleton Märchen

Märchenliebe

Wenn die Menschen heute die Worte „Märchen“ hören, beschwören sie Bilder von sanften Waldgeschöpfen, tugendhaften Jungfrauen und (vor allem) Happy Ends herauf. Aber bis zur viktorianischen Ära vor etwa 150 Jahren waren die meisten Märchen dunkel und gewalttätig und oft voller sexueller Anspielungen, die den durchschnittlichen Sechsjährigen über den Kopf flogen. Hier sind sechs klassische – und klassisch beunruhigende – Märchen, die von den Leuten bei Disney so schnell nicht adaptiert werden.

Sonne, Mond und Talia

Diese frühe Version von „Dornröschen“, die 1634 veröffentlicht wurde, liest sich wie eine mittelalterliche Episode von „The Jerry Springer Show“. Talia, die Tochter eines großen Lords, bekommt beim Spinnen von Flachs einen Splitter ab und wird bewusstlos. Ein nahegelegener Königlicher passiert auf ihrem Anwesen und vergewaltigt Talia im Schlaf (die italienische Formulierung ist euphemistischer: „Er hob sie in seine Arme und trug sie zu einem Bett, wo er die ersten Früchte der Liebe sammelte“). Noch immer im Koma gebiert Talia Zwillinge, erwacht dann plötzlich und nennt sie „Sonne“ und „Mond“. Die Frau des Königs entführt Sonne und Mond und befiehlt ihrem Koch, sie lebendig zu braten und ihrem Vater zu servieren. Als der Koch sich weigert, beschließt die Königin, Talia stattdessen auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Der König interveniert, wirft seine Frau in die Flammen, und er, Talia und die Zwillinge leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Bleiben Sie dran für mehr nach dieser Werbepause!

Das Märchen Sonne, Mond und Thalia ist die fünfte Erzählung des fünften (und letzten) Tages im Pentamerone von Giambattista Basile. Der erste Teil wird deutschsprachigen Märchenfreunden bekannt vorkommen: es ist im Wesentlichen die bekannte Geschichte von Dornröschen. Es folgt jedoch ein längerer zweiter Teil, in dem die junge Frau sich gegen eine boshafte Konkurrentin durchsetzen muss. In dieser Form findet sich das Märchen auch in der Sammlung von Charles Perrault, wo es den Titel Die schlafende Schöne im Wald trägt

Das seltsame Fest

„Eine Blutwurst lud eine Leberwurst zum Abendessen in ihr Haus ein, und die Leberwurst nahm die Einladung gerne an. Doch als sie die Schwelle des Wohnhauses der Blutwurst überschritt, sah sie viele seltsame Dinge: einen Besen und eine Schaufel, die auf der Treppe kämpften, einen Affen mit einer Wunde am Kopf und mehr…“. Wie um alles in der Welt konnten die Leute bei Disney dieses obskure deutsche Märchen übersehen? Um eine (schon kurze) Geschichte noch kürzer zu machen: Kaum entkommt die Leberwurst mit unversehrter Hülle, jagt sie die Blutwurst mit einem Messer die Treppe hinunter. Werfen Sie einfach eine Gesangs- und Tanznummer ein, und Sie haben 90 Minuten geistlose Unterhaltung!

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MikroFiktion

Octopocalypse

Einige sagen, die Welt wird in Feuer und Asche enden, andere sagen in Frost und Eis, wieder andere sagen, die Welt wird in Staub und Auflösung enden.
Ich sage, sie wird in Tentakeln enden. Vielen Tentakeln. Eine Octopocalypse.

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Lesart

Silberdistelwald

Als hätten sich György Kurtág, J.S. Bach und Oskar Loerke zum Distelpflücken am Hubertussee getroffen.

Der Silberdistelwald

Mein Haus, es steht nun mitten
Im Silberdistelwald.
Pan ist vorbeigeschritten.
Was stritt, hat ausgestritten
In seiner Nachtgestalt.

Die bleichen Disteln starren
Im Schwarz, ein wilder Putz.
Verborgne Wurzeln knarren:
Wenn wir Pans Schlaf verscharren,
Nimmt niemand ihn in Schutz.

Vielleicht, dass eine Blüte
Zu tiefer Kommunion
Ihm nachfiel und verglühte:
Mein Vater du, ich hüte,
Ich hüte dich, mein Sohn.

Der Ort liegt waldinmitten,
Von stillstem Licht gefleckt.
Mein Herz – nichts kam geritten,
Kein Einhorn kam geschritten –
Mein Herz nur schlug erweckt.

Oskar Loerke | 1934

Begleitmusik | Játékok. Marta und György Kurtág spielen J. S. Bach. ECM Records, ℗1997. Darauf zu finden: Distel III, 14 — Dauer: 24 Sekunden. Ob das dieser Pflanze gerecht wird?

Diese Aufnahme gehört nicht zur erwähnten ECM-CD. Bogáncs ist übrigens das ungarische Wort für Distel. Játékok – Bogáncs · György Kurtág | Kamarazene (Kammermusik) | ℗ 1976 HUNGAROTON RECORDS LTD.

Der „Silberdistelwald“ des Oskar Loerke liegt am Hubertussee, geschaffen im Zusammenhang mit dem Bau der Gartenstadt Frohnau aus einem verlandeten Tümpel. Im späten 19. Jahrhundert wurde hier Ton für die nahegelegene Ziegelei gegraben. [Loerkes Vater war übigens Ziegeleibesitzer.]

Oskar Loerke (* 13. März 1884 in Jungen bei Schwetz/ Wiąg in Westpreußen; † 24. Februar 1941 in Berlin) war ein deutscher Dichter des Expressionismus und des Magischen Realismus. Das Gedicht erschien 1934 im gleichnamigen Gedichtband.
Seine ausgeprägte Liebe zur Musik fand u.a. Ausdruck in veröffentlichten Texten zu Johann Sebastian Bach und 1938 zu Anton Bruckner:
1922 Wandlungen eines Gedankens über die Musik und ihren Gegenstand bei Johann Sebastian Bach
1935 Das unsichtbare Reich. Johann Sebastian Bach, S. Fischer
1938 Anton Bruckner. Ein Charakterbild

Begleitmusik 2 | Johann Sebastian Bach „Geschwinde, ihr wirbelnden Winde (BWV 201)“ –  eine weltliche Kantate. Im Autograph trägt sie den Titel „Der Streit zwischen Phoebus und Pan“.

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Feuilleton

Schnitt | Minutenromane

Corinna Waffender | Sechzehn Prosastücke, darunter die vom Autorinnenforum Rheinsberg ausgezeichnete Kurzprosa „Ohne Ende leben“, schneidet Corinna Waffender auf virtuose Weise zu einem beeindruckenden Ganzen zusammen. Es sind Momentaufnahmen, Szenen, Einstellungen, die die Protagonistinnen und Protagonisten auf eine eigene, besondere Weise beleuchten und ihre Gefühle und Charaktere umso deutlicher hervortreten lassen. 

So schildert „Hinter Glas“ die Beziehung zweier Frauen und die jähe Tragik, die der Satz „Fass mich nicht an!“ bekommen kann. In „Stille Post“ läuft ein eigenartiger Film zwischen Tina und Jo ab. „Bis dass“ erzählt von Manni und dessen ungewöhnlichem Hobby, Todesanzeigen zu archivieren. Und „Ohne Ende leben“ ist eine melancholisch-poetische Schilderung einer Zukunft, in der Unsterblichkeit zum Fluch geworden ist. Wie schon im Romandebüt Zwischen den Zeilen beweist Corinna Waffender auch in Schnitt ihr poetisches Können, die Fähigkeit, die Welt in ihrer ganzen literarischen und sprachlichen Intensität hervortreten zu lassen. Sechzehn Prosastücke, darunter die vom Autorinnenforum Rheinsberg ausgezeichnete Kurzprosa „Ohne Ende leben“, schneidet Corinna Waffender auf virtuose Weise zu einem beeindruckenden Ganzen zusammen. Es sind Momentaufnahmen, Szenen, Einstellungen, die die Protagonistinnen und Protagonisten auf eine eigene, besondere Weise beleuchten und ihre Gefühle und Charaktere umso deutlicher hervortreten lassen. So schildert „Hinter Glas“ die Beziehung zweier Frauen und die jähe Tragik, die der Satz „Fass mich nicht an!“ bekommen kann. In „Stille Post“ läuft ein eigenartiger Film zwischen Tina und Jo ab. „Bis dass“ erzählt von Manni und dessen ungewöhnlichem Hobby, Todesanzeigen zu archivieren. Und „Ohne Ende leben“ ist eine melancholisch-poetische Schilderung einer Zukunft, in der Unsterblichkeit zum Fluch geworden ist. Wie schon im Romandebüt Zwischen den Zeilen beweist Corinna Waffender auch in Schnitt ihr poetisches Können, die Fähigkeit, die Welt in ihrer ganzen literarischen und sprachlichen Intensität hervortreten zu lassen.

Querverlag

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Glaube und Zweifel Lesart

In the desert

Stephen Crane hat ein nachdenkliches Gedicht über die menschliche Natur und Gier geschrieben. Es wurde erstmals 1895 veröffentlicht. Das Gedicht handelt von einem Menschen, der eine Kreatur in der Wüste erblickt, die ihr Herz isst. Bedrückend veranschaulicht der Autor zudem, wie die Kreatur diese barbarische Handlung rechtfertigt. Obwohl das Gedicht nur zehn Zeilen hat, bringt es die dunkleren Aspekte der menschlichen Natur perfekt ans Licht.

In the desert
I saw a creature, naked, bestial, 
Who, squatting upon the ground, 
Held his heart in his hands, 
And ate of it.
I said, “Is it good, friend?” 
“It is bitter—bitter,” he answered;
“But I like it
“Because it is bitter,
“And because it is my heart.”

Stephen Crane

Dieses kurze lyrische Gedicht besteht aus einem einzigen Satz, der die erste Hälfte des Stücks und die zweite Hälfte, eine Frage und eine Antwort, umfasst. Die Stimme in dem Gedicht spricht in der ersten Person von einer früheren Begegnung mit einem wilden Mann in der Wüste und zitiert dann für den Leser die Worte, die zwischen ihnen gesprochen wurden. Das Gedicht ist kurz, sehr kompakt und leicht zweideutig, so dass ein genauer Blick auf jede Zeile und die Definition der darin enthaltenen Wörter helfen wird, die Bedeutung zu erforschen.

Die erste Zeile legt den Schauplatz des Gedichts fest, aber beachten Sie, dass es sich um die Wüste und nicht um eine Wüste handelt, so dass daraus geschlossen werden muss, dass die Bedeutung der Wüste größer ist als der physische Ort. Eine Wüste ist ein unfruchtbarer Ort; unfruchtbar hat einen weiten Bedeutungsbereich, leer in seiner einfachsten Form, aber auch unfähig, Früchte zu tragen, so wie eine Frau auch unfruchtbar sein kann. Wüsten gelten als isoliert und werden mit Verlassenheit assoziiert. Die zweite Zeile führt den Agenten unserer Metapher ein; nackt bedeutet, ohne Bedeckung, Verbergen, Verkleidung oder Verschönerung zu sein, und wird mit Verwundbarkeit assoziiert; bestialisch ist hier ein variables Wort, weil es je nach Leser die Bedeutung des Gedichts verändern kann. Bestialisch bedeutet, brutal oder verderbt zu sein, aber auch ohne Intelligenz oder Vernunft; man könnte es sogar in seiner niedrigsten Form nehmen, tierähnlich oder untermenschlich, was das Gedicht näher an einen Menschen gegen die Natur des Menschen im Thema bringen würde. Dann der Nebensatz des ersten Satzes, der die Zeilen drei bis fünf bildet. Das Geschöpf hockt auf dem Boden, was nicht nur ein tierähnliches Verhalten zeigt, sondern auch einen Höhenunterschied schafft, der als symbolisch interpretiert werden kann, da sich das Geschöpf in der untersten Tiefe des menschlichen Fassungsvermögens befindet. Obwohl es Kreatur genannt wird, hält es sein eigenes Herz in den Händen, nicht Krallen oder Pfoten, und ganz am Anfang von Zeile drei wird es als wer bezeichnet, während das passende Wort welches wäre, wenn es sich auf ein Tier bezieht. So erhalten wir trotz der tierähnlichen Beschreibung ein Gefühl von Menschlichkeit, als ob es irgendwann einmal menschlich gewesen wäre. Die Kreatur isst von seinem eigenen Herzen. Das Wort Herz kann hier nicht einfach das Organ bedeuten, obwohl es das Bild ist. Das Herz gilt als der emotionale Kern des Körpers und der Seele, und auf den moralischen Zustand der Person wird oft durch die Beschreibung des fiktiven physischen Zustands des Herzens verwiesen, wie z.B. schwarz, bitter, verschrumpelt oder ebenfalls aus Gold. In Zeile sechs fragt der Redner das Geschöpf, ob es (das Herz) gut ist, und nennt es Freund. Diese Zeile tut zweierlei: Sie stellt fest, dass die Kreatur sprechen kann, wodurch ihre menschliche Qualität gefestigt wird, und sie beseitigt die Vorstellung, dass die Kreatur bedrohlich ist, die die seltsame und monströse Beschreibung in der ersten Hälfte hervorrief. Als nächstes antwortet die Kreatur, indem sie es bitter nennt, ein Wort, das einen beißenden Geschmack bedeutet, der sich zu einer Vielzahl unterschiedlicher emotionaler Assoziationen entwickelt hat, wie z.B. Groll, Zynismus, scharf unangenehm und schwer oder schmerzhaft zu akzeptieren oder zu ertragen.

Wie Crane selbst sagen könnte, ist hier der interessante Teil: Die Kreatur behauptet, den Geschmack seines Herzens zu mögen, weil er bitter ist und weil es sein Herz ist. Es wird uns nicht gesagt, warum sein Herz bitter ist, ob es angeboren ist oder ob es daran liegt, dass er in einer Wüste ausgesetzt wurde; beides sind vernünftige Lesarten, die davon abhängen, ob man die Kreatur so interpretiert, dass sie die Natur des Menschen oder den ausrangierten, sozialen Außenseiter des Menschen in der tiefsten Tiefe des menschlichen Leidens darstellt. Die Kreatur schreit nicht, sie antwortet einfach, dass das bittere Herz ihr eigenes ist, als ob sie keine andere Wahl hätte, als sich an dem zu erfreuen, was sie geworden ist, indem sie sich von der Bitterkeit ernährt, die dort kultiviert wurde.

Hier die Lesart des Gedichtes von Noor Visser:

In the desert ist ein Ausdruck des Staunens. Das lyrische Ich beginnt mit der Beschreibung einer Kreatur, die es in der Wüste sieht. Diese erscheint dem Erzähler wie eine Tiergestalt, die auf dem Boden hockt. Zu seiner Überraschung hält es sein Herz halb aufgefressen in der Hand. Da fragt das Ich die Kreatur nach dem Geschmack des Herzens, worauf sie antwortet, es sei bitter. Und behauptet auch noch, es gerne zu essen.

Ich vermute, auf einer tieferen Ebene beschreibt das Gedicht verschiedene Aspekte, Wahrheiten dieses Lebens. Die Einsamkeit des Geschöpfes steht möglicherweise für eine innere Unzufriedenheit, das Essen des eigenen Herzens für eine gewalttätige und gierige Natur. Und doch: Ungeachtet aller Fehler und Bitterkeit liebt und genießt das Geschöpf den gegenwärtigen elenden Zustand seines Lebens.

Gier und Selbstliebe sind die herausragenden Themen dieses Gedichtes. Das Gedicht dreht sich um zwei Charaktere, einen Wilden, der fröhlich eine böse Tat begeht, und einen passiven Mann, der nicht versucht, diese Bestie aufzuhalten. Stattdessen erlaubt er ihm, seine Praxis fortzusetzen. Auf der oberflächlichen Ebene reflektiert das Gedicht die Begegnung des Redners mit einer seltsamen Gestalt in der Wüste, die gnadenlos und voller Stolz sein eigenes Herz verspeist.

Stephen Crane ist ein tiefgründiger und wahrhaftiger Dichter. Was ich an diesem Gedicht spannend finde, sind die unheimlichen und geheimnisvollen Töne, die er in seinem gesamten Text verwendet. Als ich das Gedicht „In der Wüste“ las, musste ich es einige Male lesen, um das Konzept dessen zu begreifen, das Crane darzustellen versuchte.

Die Szenerie findet in der Wüste statt, die ein Symbol für Leere und Ewigkeit ist. Das Geschöpf, das „sein Herz in den Händen hielt“ , verschlingt das Organ, während es sich hinhockt und verstümmelt, was ihm gehört. (Und was ihn u.a. ausmacht?)

Stephen Crane stellt das Herz als sich selbst dar, und auf die Frage „Ist es gut, Freund?“ stimmt die Kreatur zu und verzehrt weiter, was übrig bleibt. Die Kreatur repräsentiert den Menschen, so wie das Herz das Bewusstsein eines Menschen repräsentiert. Als ich dieses Gedicht las, dachte ich über die Grundschule nach und wie die goldene Regel lautete: „Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden würdest“.
Wenn man die Regel missachtet, demoralisiert man seinen Charakter mit einer bitteren Seele und bitterem Herzen. Die Kreatur wird in der Wüste gefunden, weil sie nichts hat. Es wird in der Grube seiner eigenen Hölle und Verzweiflung entleert, indem es mit sich selbst isoliert ist. Während sie isst, antwortet sie dem Mann: „Es ist bitter-bitter“, was Selbstzerstörung und Elend zur Folge hat. Sie frönt ihrem blutigen Eingeweide und sagt: „Aber ich mag es, denn es ist bitter, und es ist mein Herz“. Indem sie die bittere Frucht zu sich nimmt, verdirbt die Kreatur sich noch mehr; der Mangel an SelbstEmpathie regiert.

Das Tier ist so sehr in sich selbst und in seiner Bitterkeit verloren, dass es keine Freiheit zum Leben hat; es scheint, es wird immer das erbärmliche Gift der Selbstzerstörung ertragen. Sein Herz ist das wichtigste, was es hat, und verschlingt das Tier das wichtigste Element verschlingt, das das Leben erhält, wird es nicht leben. Im übertragenen Sinne vielleicht noch vegetieren. Dieses Gedicht kann jemanden im wirklichen Leben widerspiegeln, denn je mehr Sie sich von bitteren Früchten ernähren, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass Sie die süße Glückseligkeit erlangen, die das Leben für Sie bereithält.

Ich stelle mir das Herz als Symbol für den freien Willen vor. Das Essen ist eine essentielle Handlung des Menschen, bei der er den freien Willen als gegeben hinnimmt. Das Gedicht spricht über den menschlichen Kreislauf der Selbstzerstörung.

Wenn ich dieses Gedicht wieder und wieder lese, ist es, als ob sich meine Wahrnehmung immer mehr verändert. Wenn ich über den Tellerrand hinausblicke, verstehe ich endlich die Entstehung dieses Gedichts. Seine Herangehensweise an das Leben ist verrückt und verdreht, was mich sofort ertappt hat, denn es geht nicht um die typische rührselige Liebe oder Sex.
Stephen Crane versüßt seine Botschaften nicht, er geht roh und tief in seinen Text hinein, was ihn so interessant und erfrischend macht. Durch Stephen Cranes schreckliches Gedicht greife ich als Selbstmotivation auf, mich selbst klar zu halten und mich durch Schmerz und Leid nicht unnötig einschränken zu lassen; mich dem auszuliefern.
Wir durchleben immer wieder negative Phasen im Leben, aber es liegt an uns, sich selbst vor dem bitteren Herzschmerz zu bewahren.