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Einsamkeit

Einsamkeit | Rainer Maria Rilke

Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.

Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:

dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen…

Aus: Das Buch der Bilder | Die erste Auflage erschien 1902 und umfasste 45 Gedichte. Ihr folgte 1906 eine zweite, um 37 Gedichte erweiterte, formal und inhaltlich wesentlich veränderte Ausgabe.

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(K)ein Frieden. Nirgends? Wer bin ich?

Raphael M. Bonelli | Selber schuld!

Heute verdrängen wir nicht mehr Sexualität, sondern Schuld: Klopft das Schuldgefühl an der Türe des Bewusstseins, geben wir schnell die heiße Kartoffel an andere weiter. Eltern, Lehrer, Ehepartner – alle sollen schuld sein, nur damit wir uns nicht schuldig fühlen müssen. Beim Wiener Psychiater Raphael M. Bonelli legt sich die Unschuld auf die Couch. An vielen Fällen aus seiner Praxis zeigt er: Fremdbeschuldigung und Selbstmitleid machen unfrei, bitter und oft auch wirklich krank. Der korpulenten Patientin ist klar: »An meinem Gewicht ist meine Familie schuld!« Der Ehemann schiebt den Seitensprung, bei dem er ertappt wurde, seiner bigotten Umgebung in die Schuhe, denn: »Ein gesunder Mann braucht das!« Und der überführte Dopingsünder sieht sich als Opfer der Medien. Bonellis Therapievorschlag lautet: Persönliche Schuld erkennen und selbst Verantwortung für das eigene Tun übernehmen. Wer zu einem schmunzelnden „Selber schuld!“ bereit ist, kann auch leichter anderen verzeihen.

Raphael M Bonelli • Selber schuld- Cover

„Über Sex zu sprechen ist heute kein Problem mehr, weder in Therapien noch in Talkshows. […] Aber über eigene Fehler sprechen – das geht gar nicht. Nichts ist so intim wie die eigene Schuld. Die Abwehraggression bei dem Thema ist deutlich spürbar, besonders auffällig natürlich bei Paartherapien, bei denen jeweils “Unschuld” auf Beschuldigung prallt. […] Wir verdrängen unsere Schuld, weil sie letztlich Schmerz bedeutet und wir Angst vor Schmerz haben. Viele Menschen tun sich heute schwer, die Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen, und haben sich ein entlastendes Erklärungsmuster von Fremdbeschuldigung und Selbstmitleid zurechtgelegt. Fast jeder sieht sich als Opfer. Dieser Mechanismus ist aber der seelischen Gesundheit nicht förderlich … „

Der 1968 geborene Neurowissenschaftler und Psychotherapeut setzt sich hier vor allem mit der inneren Einstellung auseinander, selbst nie an der eigenen Misere schuld sein zu wollen. Schuld sind die anderen, die Eltern, die Lehrer, der Partner, die Lebensumstände usw.
Allerdings schränkt uns die Verdrängung der eigenen Schuld und das Ausweichen in die Fremdbeschuldigung sowie das Erstarren in der Opferrolle in unserem Handlungsspielraum ein. Als Opfer könne man nichts tun, um sich aus Verstrickungen zu befreien, die man möglicherweise selbst herbeigeführt hat. Wie der Patient, der dem Therapeuten vorwirft, dass der ihn nicht verstehe. Er leide doch so sehr unter der belastenden Situation, sich nicht zwischen Ehefrau und der Geliebten entscheiden zu können.

Lösungsansätze können also nur derart sein: Selbsterkenntnis und der Mut, Fehler und Schuld einzugestehen. Deshalb kann der Autor dem Ansatz mancher Kollegen, die jegliches Schuldgefühl bei ihren Patienten eilends „wegtherapieren“ wollen, nichts abgewinnen: es blockiert den Weg zur Selbsterkenntnis.
Dr. Bonelli macht in seinem Buch immer wieder unmissverständlich klar, dass es ihm NICHT um Schuldgefühle und Belastungen geht, die beispielsweise aus Stoffwechselstörungen, Krankheiten oder aus traumatischen Erlebnissen herrühren. Er betont, er wolle keine Schuldgefühle züchten, sondern dazu ermutigen, einen einmal erkannten Fehler, eine Schuld nicht zu verleugnen, sondern an ihr zu reifen und den Handlungsspielraum zurückzugewinnen, den Verleugnung, Verdrängung, Opferstatus und Fremdbeschuldigung eingenommen hatten. Der Verfasser beleuchtet u. a. folgende Mechanismen detailliert – Zitat:

„Es gibt eine Reihe von psychopathologischen Mechanismen, die dem normalen, fehlerhaften Menschen die Schuld nehmen und ihn in ein Unschuldslamm verwandeln: Perfektionismus, Ichhaftigkeit, Selbstwertüberhöhung, Narzissmus, Selbstempathie, Wehleidigkeit, Sentimentalität, Selbstmitleid, Abgrenzung, Lebenslügen, Selbstbetrug und innere Widersprüchlichkeit. […] Alle diese Faktoren sind verwandt miteinander, bedingen einander und überschneiden sich auch teilweise. Sie nehmen die Verantwortung und blockieren den Menschen in der Makellosigkeit. Alle diese Ingredienzien sind jedenfalls zur artgerechten Aufzucht eines makellosen Unschuldslamms hilfreich. (S. 67)“

Im letzten Teil erarbeitet er anhand der alltagstauglichen Begriffe Kopf, Herz und Bauch, wie der Mensch vermeiden kann, die oben erwähnten Mechanismen zu aktivieren.
Bonelli lenkt den Blick des Lesers auf die Auswirkungen, die der gängige Zeitgeist – alles ist einfach und ohne Pflichten – so mit sich bringen kann. Dazu bedient er sich zum einen ausführlicher Fallbeispiele, die nur auf den ersten Blick nichts mit unserem “normalen” Alltag zu tun haben, bei genauerem Hinsehen jedoch genau die Denkweisen und Denkfallen verdeutlichen, die die meisten von uns kennen.
Zum anderen leitet er die großen Abschnitte jeweils mit einer literarischen Gestalt ein, die er darauf hin untersucht, wie sie mit Schuld und Schuldgefühlen umgeht. Da findet sich Faust neben Franz Moor und Gregorius neben Richard York. Auch Michael Kohlhaas, Anton Hofmiller, Raskolnikow und Ebenezer Scrooge werden beschrieben. Jean Valjean (Autor von „Die Elenden“) bildet dann den Abschluss.

Obwohl der Autor durch und durch akademisch geprägt ist, schreibt in einer für den Laien verständlichen Sprache und setzt mit Humor und Zuspitzungen zur Verdeutlichung ein. Er zeigt, wo es notwendig ist, die Überschneidungen, aber auch die zu beachtenden Grenzen zwischen Psychologie als Wissenschaft, Therapie und Religion. Immer wieder bettet er seine Erkenntnisse in den wissenschaftlichen Kontext und die Arbeit anderer Kollegen ein und wer will, könnte danach anhand der erwähnten Literatur ein ausgedehntes Selbststudium betreiben.

Mein Fazit || Am Ende des Buches hatte ich das Gefühl, mal wieder meine „Windschutzscheibe“ geputzt zu haben.
Dr. Bonellis Buch macht deutlich, dass verschiedene therapeutische Schulen eben verschiedene Menschenbilder als Grundlage haben und man vermutlich gut damit beraten wäre, dies zu Beginn einer Therapie zu klären.
Das Buch ist zur Selbstreflexion ein Gewinn und hilft zudem die Menschen im eigenen Umfeld besser zu verstehen. Eine Einladung mit sich und anderen versöhnlicher umzugehen.

Der Autor || Raphael Maria Bonelli (* 10. September 1968 in Schärding, Österreich) ist ein österreichischer Neurowissenschaftler an der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien sowie Psychiater und systemischer Psychotherapeut in eigener Praxis.

Die Website des Autors: www.bonelli.info/
Raphael M. Bonelli Selber schuld!
Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen
336 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-629-13028-0
€ (D) 19,99 / € (A) 20,60
Erscheinungstermin: 2013

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Ein kreatives Leben

Einfach nur kindisch

Ich werde Ihnen ein Geheimnis verraten. Als ich sieben oder acht Jahre alt war, schickte mich eine Lehrerin zu einem Psychologen, weil sie sagte, ich sei sehr kindisch und würde überall Bilder malen. Es ist mir egal, ob du das Zeichnen durch Schreiben, Tanzen, Singen oder eine andere Art, dich frei auszudrücken, ersetzt… Es scheint so, als ob das nur für Kinder gilt.

Der Psychologe sagte, ich sei „normal“, aber was ich erfuhr, war, dass das Zeichnen in der Schule nicht mehr als gut angesehen wurde und dass ich es aufgeben oder mich verstecken musste. Es ist schon komisch, manchmal muss man nicht nur gegen Vorstellungen oder Wahrnehmungen von sich selbst ankämpfen, sondern auch gegen die Vorstellungen, die andere von einem haben.

Irgendwie habe ich aufgehört zu zeichnen, mein Verstand wurde quadratisch. Ich habe etwas Praktisches oder etwas für Erwachsene studiert, und als ich dreißig war, merkte ich, dass ich nicht glücklich war, also musste ich wieder auf mich hören und begann ein Studium der Illustration an der Kunstschule.

Wenn wir klein sind, habe ich das Gefühl, dass wir frei sind. Wir wollen spielen, Spaß haben, wissen, experimentieren. Wenn wir erwachsen werden, fangen wir an, uns zu vergleichen, Dinge zu tun, um anderen zu gefallen, uns Ziele zu setzen, nach Perfektion zu streben und Sklaven der eigenen Ansprüche zu werden. Wir hören auf, auf uns selbst zu hören, und geben anderen Stimmen mehr Gewicht.
Im Erwachsenenalter machen wir uns dann auf die Suche nach dem, was wir verloren haben. Wir wechseln den Arbeitsplatz, wir fangen neu an. Wir machen Therapie, Yoga, Pilates. Wir lernen wieder zu atmen, uns nicht zu vergleichen, nicht zu kontrollieren… wir versuchen wieder, mit dem Leben zu spielen. Es ist, als müssten wir vieles vergessen, um uns selbst wiederzufinden.
Van Gogh sagte:

„Wenn du eine Stimme in dir hörst, die dir sagt, dass du nicht malen kannst, dann male! Und diese Stimme wird zum Schweigen gebracht werden. Vielleicht müssen Sie die Stimmen zum Schweigen bringen, die nicht die Ihren sind.

Ich sage nicht, dass das einfach ist. Das Leben ist kompliziert, man muss dagegen ankämpfen, aber man muss auch den Mut haben, auf sich selbst zu hören. Mut!

PS. Dieser Beitrag ist dieser Lehrerin gewidmet.

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Glaube und Zweifel Sudelbuch | Glaube und Zweifel

Abendsegen…

für die mit Narben
| für die ohne Familie
| für die ohne Frieden
| für die in Tränen
| für die ohne gesunden Schlaf
| für die ohne Erinnerung
| für die mit Herz
| für die in Verantwortung
| für die inmitten von Sehnsucht
| für die Heilenden
und
für Dich heute Nacht.

Ein Segen: durch Worte, Formeln, Gebärden ausgedrückter Wunsch an eine in religiöser Vorstellung existierende höhere Macht, Gnade, Glück, Gedeihen, Schutz zu schenken.

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Zuflucht in der Schwingung

Das Zeichnen (hier kann man alles einfügen, was einen in Schwingung versetzt: schreiben, singen, tanzen, schauspielern, kochen, kreieren…) ist immer etwas, das uns mit dem Wahnsinn der Welt konfrontiert. Zeichnen ist eine Reise in die Vergangenheit, in die Vergangenheit vieler Künstler, Pinselstriche, Striche, Blicke, Farben. Werke, die wir in Museen gesehen haben, Bilder in unseren Schulbüchern oder Postkarten oder Aufkleber, die wir als Kinder als Schätze in Keksdosen aufbewahrt haben. Aber es bedeutet auch, einen Sprung zu machen, einen Schritt weiter zu gehen… es bedeutet, diesen Blick zu erneuern, unsere eigenen Striche, unsere eigenen Hände oder Gefühle hinzuzufügen. Und obwohl wir von vielen Künstlern begleitet werden, ist es immer ein einsamer Akt, bei dem man sich selbst, seinen Stimmen, Dämonen, Zweifeln und natürlich auch Freuden stellt. Sie stellen sich dem Unerwarteten, der Ungewissheit, dem Nichtwissen. Manchmal werde ich wütend, weil ich nicht das bekomme, was ich in meinem Kopf sehe, manchmal bin ich aufgeregt, weil es noch besser ist, als ich dachte, und manchmal bin ich frustriert und gehe spazieren.
Carlos Ruiz Zafón sagt in „Das Labyrinth der Lichter“, dass „jeder, der seinen Verstand behalten will, einen Ort in der Welt braucht, an dem er sich verlieren kann und will“. Ein Zufluchtsort als „ein kleines Nebengebäude der Seele, in das man, wenn die Welt in ihrer absurden Komödie Schiffbruch erleidet, immer flüchten und den Schlüssel verlieren kann“.
Das Wort Zuflucht kommt von der Idee oder Handlung der Flucht nach hinten. Ein geschützter Ort, an den man sich zurückzieht, indem man rückwärts flieht. Aber ich denke, es ist auch eine Flucht nach vorn, so wie damals, als wir Räuber und Gendarm spielten und man zu Hause ankam und wusste, dass man verschnaufen, innehalten, nachdenken und wieder in die Welt hinausgehen konnte, um zu rennen und zu spielen.
Auch das Zeichnen, das Schaffen, kann eine Zuflucht sein. Ein Haus, in dem Sie Schutz suchen können. Ich finde die Idee eines Zufluchtsortes wunderschön. Es kann ein physischer oder symbolischer Ort sein, ein Ort in deinem Kopf, eine Person, eine Erinnerung, eine Handlung wie Malen, Schreiben oder Tanzen, ein Hund, ein Haustier, ein Lied, ein Buch.
Ich glaube, dass Schutzräume, die uns vor Katastrophen, vor extremer Hitze oder Schneefall im Freien, vor Lügen oder Zweifeln oder sogar vor Monstern schützen, in manchen Fällen nicht geografisch sind, sondern dass es nicht darum geht, einen Platz in der Welt für dich zu suchen, sondern deinen Platz in dir.

Was ist Ihre Zuflucht?

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Glaube und Zweifel Lesart

Hartwig Rademacher | Akute Literatur

» Ich habe keine Bücher, die Bücher haben mich. «

Mitbegründer und langjähriger Geschäftsführer des Merve Verlags Peter Gente

Dieses Zitat kam mir bei diesem Buch in den Sinn, als es mir in die Hände fiel.

Ein bibliographische Zeilenwurf, vom Autor so untertitelt, der aus Hunderten Literaturangaben aus den Bereichen Ästhetik, Religion, Soziologie und vornehmlich Psychologie besteht. Nicht mehr und nicht weniger. Weder die angeführten AutorInnen noch deren Texte gibt es wirklich und es scheint, dass Hartwig Rademacher LeserInnen und möglicherweise sich selbst einlädt, daraus Tatsachen zu schaffen. Viele der Titel locken mehr wissen zu wollen, werfen das Kopfkino an, irritieren, werfen Fragen auf, regen zum Nachdenken an, bringen zum Schmunzeln. Bei einigen Titeln habe ich einen Moment länger gebraucht um das „Akute“ darin zu entdecken. Und: nicht wenige genügen bereits als Textminiaturen, als „schöne Worte“ die man so stehen lassen kann.

Hartwig Rademacher | Akute Literatur | Merve Verlag Berlin

Der Autor hat sein Werk „Akute Literatur“ genannt; und Hanns-Josef Ortheil hat in seiner Kurzrezension für die Zeitung „Die Welt“ angemerkt, dass hier eine Bibliographie von Titeln vorliegt, in denen Rademacher etwas „Akutes“ entdeckt hat. Nun bedeutet ja der Begriff u.a. „in einem bestimmten Moment (sehr) wichtig“. Im Zusammenhang mit Rademachers Werk gefällt mir persönlich die herkunftliche Entlehnung aus dem Lateinischen acutus „scharf, spitz“, gebildet zu lateinisch acuere „schärfen, spitzen“ sehr gut; indem ich beim Lesen die Einladung annehme, den Titeln eine individuelle Form zu geben.

Die Bibliografie bezieht sich ausnahmslos auf Sachliteratur; zumindest konnte ich nichts aus Prosa oder Lyrik finden…wobei ich mich gefragt habe, ob sich die Titel teils nicht mindestens genauso gut in einem Gedicht oder einer Kurzgeschichte ausarbeiten lassen. Um auf das obige Zitat von Peter Gente zurückzukommen: dieses Buch hat einen, und man kommt immer wieder darauf zurück. Zumindest mir geht es mir so.

Der Autor | Hartwig Rademacher, geboren 1969 in Paderborn, studierte Psychologie in Bielefeld und Boca Raton. Er lebt in Bielefeld. Das Buch ist Elisabeth gewidmet.
Die Lektüre brachte mich schlussendlich zu der Frage: ist der Name des Autors vielleicht ein Pseudonym? Es würde zum Konzept passen. 


Hartwig Rademacher | Akute Literatur
Bibliographischer Zeilenwurf
Merve Verlag Berlin 2003
Taschenbuch
ISBN 3-88396-191-4
Preis: 8 €

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Feuilleton Lesart

Besprochene Bücher und Texte

Aktuelle Bücherliste | Regelmäßig schreiben und sprechen wir über Bücher, die wir gelesen haben. Allerdings verfassen wir keine klassischen Rezension, sondern beschreiben unser jeweiliges LeseErlebnis und das was wir gegebenenfalls mit und bei der Lektüre erleben. Hier finden Sie eine Auflistung aller hier besprochenen Bücher, sortiert nach AutorIn.

A

B

C

Stephen Crane | In the desert

Drutmar Cremer | Das tierische Gebet

D

E

F

G

Alasdair Gray | Kleine Disteln

H

I

J

K

L

M

Kurt Marti | Zärtlichkeit & Schmerz

N

O

P

Q

R

Hartwig Rademacher | Akute Literatur

S

T

U

V

W

X

Y

Z

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Herausgelesen MikroFiktion

WortBilder

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Aufgedröselt

Die Lehre vom Gang übers Wasser

Das Zitat im Zusammenhang

Weniger die Gedichte Eckermanns als vielmehr die Niederschrift seiner Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens haben ihn weithin bekannt gemacht und hohe Anerkennung eingebracht. Aus diesen Aufzeichnungen stammt auch der nachfolgende Auszug.

Sonnabend, den 12. Februar 1831

Ich lese im Neuen Testament und gedenke eines Bildes, das Goethe mir in diesen Tagen zeigte, wo Christus auf dem Meere wandelt, und Petrus, ihm auf den Wellen entgegenkommend, in einem Augenblick anwandelnder Mutlosigkeit sogleich einzusinken anfängt.

»Es ist dies eine der schönsten Legenden,« sagte Goethe, »die ich vor allen lieb habe. Es ist darin die hohe Lehre ausgesprochen, daß der Mensch durch Glauben und frischen Mut im schwierigsten Unternehmen siegen werde, dagegen bei anwandelndem geringsten Zweifel sogleich verloren sei.«

Sonntag, den 13. Februar 1831

… Das Gespräch lenkte sich auf das Neue Testament, indem ich erzählte, daß ich die Stelle nachgelesen, wo Christus auf dem Meere wandelt und Petrus ihm entgegengeht. »Wenn man die Evangelisten lange nicht gelesen,« sagte ich, »so erstaunt man immer wieder über die sittliche Großheit der Figuren. Man findet in den hohen Anforderungen an unsere moralische Willenskraft auch eine Art von kategorischem Imperativ.«

»Besonders«, sagte Goethe, »finden Sie den kategorischen Imperativ des Glaubens, welches sodann Mahomet noch weiter getrieben hat.«

»Übrigens«, sagte ich, »sind die Evangelisten, wenn man sie näher ansieht, voller Abweichungen und Widersprüche, und die Bücher müssen wunderliche Schicksale gehabt haben, ehe sie so beisammen gebracht sind, wie wir sie nun haben.«

» Es ist ein Meer auszutrinken,« sagte Goethe, »wenn man sich in eine historische und kritische Untersuchung dieserhalb einläßt. Man tut immer besser, sich ohne weiteres an das zu halten, was wirklich da ist, und sich davon anzueignen, was man für seine sittliche Kultur und Stärkung gebrauchen kann. Übrigens ist es hübsch, sich die Lokalität deutlich zu machen, und da kann ich Ihnen nichts Besseres empfehlen, als das herrliche Buch von Röhr über Palästina. Der verstorbene Großherzog hatte über dieses Buch eine solche Freude, daß er es zweimal kaufte, indem er das erste Exemplar, nachdem er es gelesen, der Bibliothek schenkte und das andere für sich behielt, um es immer in seiner Nähe zu haben.« …


Quelle: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens 1823-1832 von Johann Peter Eckermann

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Distelichte Sudelbücher

Einleitender Text zum Konzept plus Rasterüberblick